Johann Sebastian Bach (1685-1750):

Schweigt stille, plaudert nicht!

englisch Be silent, not a word / französisch Gardez le silence, ne bavardez pas

Allgemeine Angaben zur Kantate

Untertitel: Kaffee-Kantate
Untertitel englisch: Coffee Cantata
Untertitel französisch: Cantate du café
Entstehungszeit: 1734
Besetzung: Soli (STB), Traversflöte, Streicher (Violine I, Violine II, Viola) und Basso continuo
Erstdruck: Berlin: Gustav Crantz, Wien: T. Haslinger, Leipzig: Fr. Hofmeister, 1837
Verlag: Kassel: Bärenreiter, 2006
Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 2005
Opus: BWV 211
BWV2 211

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[Details]
Kantaten BWV 173a,211,212 (Dorian, DDD, 1994)
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

E. Pinter in FonoForum 6/95: ".. eine facetten-reiche Interpretation."

Zur Kantate

Art: „Cantate über den Caffee“
Text: Christian Friedrich Henrici (Picander)
Sprache: deutsch
Ort: Leipzig
Zeit: in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts

Personen der Handlung

Herr Schlendrian: ein gestrenger Familienvater (Bass)
Lieschen: seine koffeinsüchtige Tochter (Sopran)
Erzähler: Kaffeehaus-Moderator (Tenor)

Handlung

Die Gäste im Kaffeehaus „Zimmermannscher Garten“ sollen nicht ständig plaudern, sondern einmal dem Gerücht zuhören, welches über Herrn Schlendrian und seine Tochter in Umlauf ist. Einen gewaltigen Ärger hat er mit Lieschen, und er brummt wie ein Zottelbär. Das Kind hat verlernt, zu gehorchen! Wenn er etwas zu ihm sagt, geht das an ihrem Ohr vorbei. „Hunderttausend Hudelei“ hat man mit seinen Kindern. Das ungezogene Mädchen soll das Kaffeeschlürfen sein lassen und damit basta! Der liebe Vater möge nicht ungehalten sein. Wenn sie nicht dreimal täglich ihr Schälchen schlürfen darf, sei die gute Laune dahin, wendet die Tochter ein, und er dürfe sich nicht wundern, wenn sie sich „wie ein verdorrtes Ziegenbrätchen“ gebärde. Der Kaffee schmecke besser als tausend süße Küsse und sei nicht so herb wie Muskatwein. Offenbar hat Lieschen den richtigen Schatz noch nicht gefunden. Sie braucht regelmäßig ihren Kaffee und damit soll der Herr Vater sich abfinden und sich von dem Gedanken lösen, dass nur die Herren privilegiert seien, die zerstampften braunen Böhnchen, aufgelöst in heißem Wasser, zu genießen.

Wenn jemand Lieschen eine Freude machen will, soll er ihr Kaffee einschenken und schon ist es ihm hold. Der Vater ist nicht willig, sich Lieschens Ungehorsam bieten zu lassen und macht von der elterlichen Gewalt Gebrauch. Der Konzertbesucher soll nun nicht denken, dass er Lieschens Rock anhebt, um ihr barockes Spitzenhöschen mit Stockschlägen zu traktieren. Nein, bei feinen Leuten ist es zumindest nach außen hin nicht üblich, mit plumper Gewalt vorzugehen. Es gibt feinere Methoden, den Willen unartiger Töchter zu brechen. Lieschen wird verboten zu heiraten – so einfach ist das. Spazieren gehen darf sie auch nicht. Den kleinen Affen, gemeint ist das Kaffeeschlürfen, könnte der Vater ihr doch lassen. Herr Schlendrian bleibt hart, den Namen, den er trägt, will er nicht bestätigt wissen. Geschenke gibt es in Zukunft nicht mehr. Das goldene Band für die Haube kann Lieschen aus ihrer Wunschliste streichen. Die junge Dame soll sich darauf einrichten, dass sie als alte Jungfer sterben wird. Wer nicht gehorchen will, muss fühlen! Also, Lieschen: Horch auf das, was Vater spricht, Kaffee gibt es nicht! Zum Schein geht Lieschen auf die Wünsche des Erziehungsberechtigten ein. Hoch und heilig verspricht sie dem Unnachgiebigen, keinen Kaffee mehr zu trinken. Dann wird sie auch einen Mann abkriegen. Ach ja, am liebsten heute noch! Der liebe Vater soll es fügen. Noch vor dem Zubettgehen möchte sie den Bewerber umarmen. Einen wackeren Liebsten hätte Lieschen gar zu gern. Der Vater geht auf die Suche, aber das abgefeimte Luder streut das Gerücht aus, dass keiner sich um ihre Hand bemühen braucht, der ihr das Kaffeetrinken nicht erlaube. Der väterlichen Gewalt wird sie entronnen zu sein, kalkuliert das Biest, sobald es unter die Haube gekommen ist. Die Mutter und die Großmama lieben den Kaffeegenuss. Warum sollte es der Tochter verboten sein? Recht hat sie! Die Leipziger Jungfern halten zu ihr.

Hintergrundinformation

Johann Sebastian Bach besuchte über zwei Jahrzehnte lang zweimal in der Woche das Zimmermannsche Kaffeehaus in der Leipziger Katharinenstraße. Seine Kaffeekantate gilt als Höhepunkt der sächsischen Kaffeehausmusik des 18. Jahrhunderts. Der Text der ersten acht Nummern stammt von Christian Friedrich Henrici (Picander) aus dem Jahr 1732, die beiden anschließenden Nummern sind hinzugedichtet worden (vielleicht von Bach selbst). Das Kaffeetrinken war in Mode gekommen und in Sachsen schossen die Kaffeehäuser wie Pilze aus dem Boden. Erlaubt war den Kaffeegenuss nur den Männern, aber die Frauen waren nicht geneigt, sich ausschließen zu lassen. Den daraus entstehenden Konflikten hat der Komponist sich nicht verschlossen und ein kleines Drama in Noten gesetzt. Volkstümliche und galante Elemente sind in dieser säkularen Kantate zu einem amüsanten Kammermusikwerk verbunden, das erstmals - wie sollte es anders sein - in Bachs Stammkaffeehaus "Zimmermann" erklang. Die Beliebtheit seiner Kantate BWV 211 hat bis heute angehalten.


Letzte Änderung am 23.2.2008
Beitrag von Engelbert Hellen