William Walton (1902-1983):

Belshazzar's Feast

deutsch Belsazars Fest

Allgemeine Angaben zur Kantate

Anlass: Auftrag der BBC
Widmung: Lord Berners
Entstehungszeit: 1930-31, rev. 1948 und 1959
Uraufführung: 8. Oktober 1931 beim Leeds Festival unter Sir Malcom Sargent
Besetzung: Bariton, gemischter Chor (SSAATTBB), Orgel und Orchester
Spieldauer: ca. 35 Minuten
Erstdruck: London: Oxford University Press, 1931
Verlag: London: Oxford University Press, 1959
Bemerkung: Die Kantate „Belshazzar’s Feast“ ist Waltons bedeutendstes Chorwerk und genießt weltweit außerordentliche Beliebtheit. Das riesenhafte Orchester fungiert teils als selbständiges Element, andererseits bietet es zu den vier- und achtstimmigen Chören Kontrast. Das Baritonsolo darf sich einer dankbaren Aufgabe erfreuen. Stilistisch orientiert sich Waltons Komposition an den großen Chorwerken der Romantik. Eine Aufführung der Kantate ist mit hohem Aufwand verbunden und ihre Wucht wirkt akustisch am meisten in einer monumentalen Kathedrale.

Zur Kantate

Art: Kantate in zwei Teilen
Text: Osbert Sitwell nach Worten der Bibel, Buch Isaiah (Kap. 39), Daniel (Kap. 5) Apokalypse (Kap.18) u.a.
Sprache: englisch

Handlung

1. Teil:

THUS SPAKE ISAIAH

Der Prophet Isaiah sieht darin seine Aufgabe, die in babylonische Gefangenschaft geratenen Juden psychologisch zu betreuen. Ihre Söhne, die ihre Widersacher in die Welt gesetzt haben, so kündet Isaiah schadenfroh, werden ihnen alle weggenommen. Das geschieht an einem Tag, den der Herr noch festlegen wird. Das Heulen der Eunuchen im Palast des Königs von Babylon wird deutlich zu hören sein.

By the waters of Babylon,
By the water of Babylon
There we sat down: yea we wept
And hanget our harps upon the willows.

Schlecht geht es den Kindern Israels am Euphrat eigentlich nicht. Man ist freundlich zu ihnen und lobt ihre musische Begabung. Schwer verständlich für die Nachwelt: die freundlich Gebetenen reagieren mit Empörung. Diejenigen, die sie in diese unannehmbare Lage gebracht haben, verlangen Frohsinn von ihnen. Zu Gefangen wurden sie gemacht und jetzt soll den Wärtern auch noch vorgesungen werden. In der Tat stehen die Lieder Sions in der Publikumsgunst hoch im Kurs.

Woher sollen die Verzweifelten die Motivation nehmen, Lieder des Herrn in einem fremden Land zu singen? „Wenn ich dich vergesse, o Jerusalem, soll die rechte Hand untauglich werden! Die Zunge im Mund möge sich in zwei Teile spalten, wenn ich mich an Jerusalem nicht mehr erinnern sollte“ tadelt man sich selbst. Schwere Strafe gebührt jedem, der es vorzieht, den neuen Herren durch religiösen Gesang zu gefallen, anstatt das Gedenken an die alte Heimat zu pflegen. Bei den Wassern von Babylon sitzen sie, jawohl, und weinen. Sie fordern sich gegenseitig auf, ihre Harfen in die Trauerweiden zu hängen.

Isaiah wird richtig böse. So wie die Tochter Babylons sich aufführt, verdient sie es, vernichtet zu werden. Ihre Kinder wird man gegen den Stein schmettern. Gewaltsam wird die große Stadt niedergeworfen und nichts wird von ihr übrig bleiben. Eine harte Strafe für geringfügige Missetat!

2. Teil:

BABYLON WAS A GREAT CITY

Die Baritonstimme sieht ihre große Chance, die Jubelchöre hinter sich zu lassen und sich stimmlich in den Vordergrund zu bewegen:

Babylon war eine große Stadt. Man trieb mit vielen Dingen Handel. Um der Kantate besser folgen zu können, sei ein wenig Ordnung in das Warensortiment gebracht. Gold und Silber in Münzenform war bei jedermann beliebt. Die Vornehmen wandelten in Scharlach und Purpur einher und trugen Kleider aus Seide und feinstem Leinen. Dazu schmückten sie sich mit Perlen und edlen Steinen. Düfte und Salben verliehen dem Körper eine angenehme Note. In der Küche benutzte man Öl und Weizenmehl zum Backen sowie Zimt zum Würzen der Speisen. Die Gefäße waren aus Messing gefertigt. Kunstgegenstände aus Elfenbein verschönerten die Wohnräume. Aus edelstem Holz waren die Möbel gezimmert. Marmorstein und Eisen waren das Baumaterial für die geräumigen Hallen. Um den Götter zu danken, wurde Weihrauch bei der Königin von Saba eingekauft. Gehandelt wurde ferner mit Schafen, Streitwagen und Sklaven und - wen wundert es - mit den Seelen der Menschen.

In Babylon
Belshazar the King
Made a great feast,
Made a feast to a thousend of his lords,
And trank wine before the thousand.

Während Belsazar von den edlen Rebensäften kostete, befahl er goldene und silberne Gefäße zu bringen und zwar genau den Zierrat, den sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel mitgenommen hatte – das war zu Jerusalem. Den Prinzen, Gemahlinnen und Konkubinen sollte das Wonnegefühl vermittelt werden, sich aus Kultgefäßen zu laben, die einst der Verherrlichung eines ihnen fremden Gottes dienten. Ohne Musik macht das Feiern keinen Spaß. Der Herrscher ordnete an, dass Blashörner, Föten, Posaunen und weitere Musikinstrumente herangeschafft werden, damit die Hofkapelle musizieren konnte. Der Wein floss in Strömen. Getrunken wurde aus heiligen Gefäßen.
Der König versäumte es nicht, denjenigen Göttern zuzuprosten, die ihm geläufig waren.

Praise ye
The God of Gold, of Silver, of Iron, of Wood, of Stone, of Brass.

Noch weitere Götter fanden Berücksichtigung. Solches geschah in Babylon, der mächtigen Stadt. Der König veranstaltete ein großes Fest für eintausend handverlesene Leute, die vornehmsten seines Reiches. Belsazar trank Wein vor diesen Leuten. Über das Quantum an Alkohol, welches Belsazar vertragen konnte, ohne ins Wanken zu geraten, schweigt der Chronist sich aus. Der Konzertbesucher muss sich hier seinen Teil denken.

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: Der König befahl, die goldenen und silbernen Gefäße aus dem Tempelschatz von Jerusalem zu bringen, um den Prinzen, den Gemahlinnen und den Konkubinen die Freude zu machen, aus den kunsthandwerklich hervorragend gearbeiteten Bechern und Schalen zu trinken und von den goldenen Tellern etwas Konfekt zu nehmen.

Der hebräische Chronist berichtet über den weiteren Verlauf der Festlichkeiten sowie dem verhängnisvollen Zwischenfall von der schreibenden Hand. Nachdem sie ihre falschen Götter und Teufel, die man weder sehen noch hören konnte, ausgiebig gepriesen hatten, rühmten sie zu dem angenehmen Klang der Harfe und dem Klingeln des Tamburins die Herrlichkeit des Königs. Sie versicherten ihm ihre Loyalität und wünschten dem König der Könige, dass er für immer am Leben bleiben soll.

Plötzlich erschien an der Wand eine schreibende männliche Hand mit vier Fingern. Der König, obwohl nicht mehr ganz nüchtern, konnte den fremden Wortlaut erkennen. Er lautete:

MENE, MENE, TEKEL UPHARSIN
THOU ART WEIGHED IN THE BALANCE AND FOUND WANTING

Osbert Sitwell setzt voraus, dass dem Konzertbesucher der Vorfall geläufig ist und fasst sich kurz: „In that night was Belshazar the King slain and his Kingdom divided”.

Die letzten Verse der Kantate sind dem Triumph Israels über seinen Erzfeind gewidmet ist. Die Essenz gipfelt in der Aufforderung: “Make a joyful noise to the God of Jacob. For Babylon the Great is fallen. Alleluja!”


Letzte Änderung am 9.1.2008
Beitrag von Engelbert Hellen