Francesco Masciangelo (1823-1906):

La Sunamitide ovvero Il trionfo della bellezza e della virtù

deutsch Die Sunamitin oder Der Triumph der Schönheit und der Tugend

Allgemeine Angaben zum Oratorium

Entstehungszeit: 1874
Uraufführung: 31. August 1874
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Verlag: Bologna: Bongiovanni, 2000
Bemerkung: Francesco Masciangelo hat seinem Vokalwerk die Bezeichnung „Melodramma sacro“ gegeben und damit offen gelassen, ob er es als Oper oder als Szenisches Oratorium verstanden wissen will. Das zweite bietet sich an, weil eine Inszenierung sich im Altarraum einer Kirche gut ausmachen würde und auch kleinere Bühnen den Aufwand an Ausstattung in Grenzen halten können. Der statische Charakter der einzelnen Personen zeigt kaum Entwicklung. Das Orchester hält sich kammermusikalisch dezent zurück; manchmal kommen nur kleine Gruppen, vor allem die Holzbläser und die Harfe, zum Zuge. Komponiert wurde melodisch und abwechslungsreich. Mit der Ausgrabung dieses unbekannten Komponisten hat man Instinkt bewiesen und mit „La Sunamitide“ ein kleines Juwel zutage gefördert. Die Titeldarstellerin sollte allerdings eine Stimme von intensiver Leuchtkraft besitzen, um die biblische Heroine auch akustisch zu bestätigen. Ebenfalls wird dem Madrigalchor einiges an Wohlklang und Schulung abverlangt.

Das Libretto schließt - im Gegensatz zu Szymanowskis Oper „Hagith“, die das Thema bis zur Unkenntlichkeit variiert - wohlgefällig und überraschend eng an den Bibeltext an. Der zugrunde liegende Bibeltext lautet: „König David war alt und hochbetagt; auch wenn man ihn in Decken hüllte, wurde ihm nicht mehr warm. Da sagten seine Diener zu ihm: Man suche für unseren Herrn, den König, ein unberührtes Mädchen, das ihn bedient und pflegt. Wenn es an seiner Seite schläft, wird es unserem Herrn, dem König, warm werden. Man suchte nun im ganzen Land Israel nach einem schönen Mädchen, fand Abischag aus Schunem und brachte sie zum König. Das Mädchen war überaus schön. Sie pflegte den König und diente ihm; doch der König erkannte sie nicht.“ Historisch gesehen hätte Adonija, dem viertältesten Sohn Davids, und einer Hauptfrau (Absalom und zwei Prinzen waren bereits tot) die Königswürde zugestanden. Aber er hatte den Propheten Nathan in der Opposition, der im Komplott mit Salomos Mutter Bathseba diesen zum Nachfolger salbte. Adonija erbat sich von Salomon Abisag zur Frau; diese Verbindung wurde ihm aber argwöhnisch verweigert. Tatsächlich hatte der Erstgenannte Umsturzpläne vorbereitet und wurde wie seine Anhänger durch den neuen Heerführer Salomos beiseite geräumt. Nach dem Tode Davids versank die Sunamitin in Bedeutungslosigkeit, weil ihre Aufgabe erledigt war, so dass das Alte Testament sie nicht mehr erwähnt.

Zum Oratorium

Art: Melodramma sacro in zwei Akten
Libretto: Carlo Madonna nach Worten des Alten Testaments (Erstes Buch der Könige, Abs. 1-4)
Sprache: italienisch
Ort: im Heiligen Land
Zeit: um das Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung

Personen der Handlung

David: König von Israel (Bass)
Natan / Nathan: Prophet (Bass)
Der Hohepriester: (Bariton)
Abisag / Abischag: eine Schäferin aus der Region von Sunam (Sopran)
Adonia / Adonija: Sohn König Davids (Tenor)
Eine Botin: Sopran

Handlung

1. Teil:

Erste Szene:

Der Einleitungschor lässt seinem Entzücken freien Lauf: Lasst uns eilen, lasst uns fliegen! Lieder sollen gesungen und Blumen gestreut werden. Möge die Freude kein Ende finden. Im Himmel wird ein Bankett gefeiert und auf Erden seufzen frohen Mutes die Herzen, denn die Braut des Königs steht fest. Der König herrscht mit gütiger Hand über sein Volk als ob es seine Söhne seien. Das allerschönste Mädchen aus ihrer Mitte naht und wird ihm als Lohn für seine Liebe gehören.

Zweite Szene:

Im Palast zu Jerusalem ist König David mit den Prinzen, den Ministern und dem Hofstaat versammelt, als der Prophet Nathan mit einer guten Nachricht erscheint. Der Herr im Himmel sei gepriesen, denn ein großes Wunder warte auf den König. Die Freude des Hofs ist unbeschreiblich. Von seinem durchgeistigten Antlitz und dem ungewöhnlichen Licht seiner Augen funkelt ein heiliges Feuer. An dem Ernst seiner Worte und dem Erzittern seines ganzen Körpers erkennt der König, dass er der Mann Gottes ist und ihm zu seinem Nutzen gesandt wurde. Voller Spannung wird er seinen Worten lauschen. Der Prophet des Herrn soll sprechen, denn des Königs Seele befindet sich bereits in Ekstase. Eigentlich sollen alle zuhören:

Nathan bezieht sich auf die Anordnung des Königs, dass während im Tempel Hymnen und Psalmen ertönen, als Opfergabe Räucherwerk entzündet werden soll. Es entstand Nebel und in diesem sah Nathan eine Wolke aufsteigen, die von einem Regenbogen getragen wurde. Im Tempel verteilte sich ein Duft, der so süß war, wie er niemals zuvor wahrgenommen wurde. Die Wolke öffnete sich und heraus trat ein Engel, der eine Hochzeitskrone in Händen hielt. Ein Hauch von himmlischer Freude erfasste den Propheten, denn unter der Krone gewahrte er eine Jungfrau, die in ihrer Reinheit wunderschön anzusehen war und sich nach der Ekstase der Liebe sehnte. Aber wo war der Bräutigam? Er sah nur die Wolke, den Weihrauch, das Opfer, die Priester und den Tempel?

David antwortet, dass der König in dem Propheten tatsächlich einen Mann Gottes sehe. Man soll sich beeilen und die Anstrengungen vervielfältigen, um die Hochzeitsfeierlichkeiten vorzubereiten. Jeder Aufschub bringe seinem Herzen tödliche Angst. Der Prophet habe seine Seele mit einem himmlischen Lächeln geschmückt, als er sich ihm von seniler Sorge ermattet anvertraute. Nun hat der Winter sein eisiges Unterhemd abgestreift und der April ist mit einem geblümten Mantel gekommen. Die alte Eiche kann nun ihre belaubten Äste für das Licht des Frühlings ausdehnen. Der Sturm wird durch den Brautkranz fahren, so dass seine Blätter zerknittert zu Boden fallen und sich zwischen engelsgleichen Blumen wiederfinden.

Nathan kündet, dass der König vom Strahl himmlischen Lichts getroffen wurde. Altersbedingte Schwäche wird verschwinden. Der Winter trägt die eisige Weste weg, denn sie wird gegen einen warmen bestickten Mantel ausgetauscht. Der engelsgleiche Duft der Blumen macht ihn für immer beständig.

Dem Publikum muss die umständlich umschriebene Realität erläutert werden. Altersbedingt leidet der König an Unterkühlung, ein junges Mädchen soll als Kurmittel dienen, um die körperlichen Temperaturen wieder anzuheben.

Dritte Szene:

Das Bühnenbild wechselt zur Campagna von Sunam. Die Sonne geht unter. Der Chor der Landleute nimmt Abschied von der kleinen Schäferin.

„Die Sunamitin hat braunes Haar.
Ja, sie ist so schön wie der Mond.
Sie hat den Abglanz der Sonne,
den Gott im allgemeinen für sich selbst zurückbehält.
Überall, wo sie spazieren geht,
blüht hinterher eine Blume.
Der Duft ihres Atems
ist wie ein Parfüm vom Libanon.
Unter dem Sortiment ihrer Gefühle
hat die Liebe Priorität.
Die Sunamitin ist würdig, den König zu beglücken.“

Lyrisch eingestimmt, wird das gespendete Lob von Abisag positiv quittiert. Sie antwortet den Bewohnern von Sunam, dass für sie der Gesang der Felder wie ein Milchstrom sei, der sich zu ihrem Herzen ergießt. Der Platz, wohin ihr Geist entflieht, sei das königliche Bett, welches mit Rubinen bestückt ist. Ihr scheint es, dass die Zukunft, die vor ihr liegt, die gleiche Farbe hat. In Freundschaft wird sie nun Abschied nehmen vom Gesang der Felder. Sie spürt, dass sie das Echo der Hügel demnächst nicht mehr hören wird, weil sie weit fortgeht, aber in ihrem Herzen wird es lieblich widerklingen.

Der Frauenchor mischt sich ein und bestätigt, dass das kleine ehrenwerte Bauernmädchen zum Thron aufsteigen wird. Gott habe ihr Liebe und Macht bestimmt. Königin wird sie sein, vor der ganzen Welt! Selbst wird sie das Volk halten wie ihre eigene Familie. Sollte es ihr jedoch bestimmt sein, Krieg zu machen, wird sie tapfer kämpfen und selbst gegen den härtesten Feind triumphieren. Löbliche Absichten!

Vierte Szene:

Da im Libretto eine Regieanweisung fehlt, geht das Publikum davon aus, dass das Zusammentreffen der kleinen Sunamitin mit ihrem prominenten Dialogpartner noch im heimischen Umfeld stattfindet. Es ist Adonija, der nach dem Ableben von Absalom in der Rangliste der Thronfolge oben steht. Nicht alle Prinzen im Palast haben die gleiche Mutter. Die beliebteste von den acht Hauptfrauen König Davids ist Batsheba, die Mutter Salomons. Adonija hat es daher nötig, zu intrigieren, um seinen Thronanspruch zu sichern, vergreift sich aber offenbar in den Mitteln.

Der Sunamitin bestätigt Adonija, dass es der freundlichen Entführerin von Herzen gelungen sei, das Herz eines Königs zu gewinnen. König David besitze bereits jede Menge Reichtum, aber den größten erwarte er von ihr. Die Geliebte soll an ihren Platz eilen, den sie gewann, um dem König die Kälte seiner alten Tage zu vertreiben. Von allen beneidet, warte auf sie der Thron. Abisag erklärt, dass sie sich nicht sicher fühlt, ob sie die Erwartungen erfüllen kann, die man an sie richte, denn sie komme aus dem Tal der Flocken, in dem die Armut vorherrscht. Es freut sie aber, dass er die Gnade mitfühlt, die der Himmel ihr geschenkt hat.

Der süße Engel soll verstehen, dass die gewaltige Liebe aus ganz anderen Wolken kommt, als sie sich im Moment vorstellt. Es gibt tausend Wege und sie soll doch einfach in sein Gesicht schauen, dann wird sie sein Geheimnis begreifen, welches ihn entweder tot oder munter macht. Da sie gar nichts sagt, gibt sie ihm Hoffnung. Abisag weiß nicht, was sie von seinen Sprüchen halten soll. Sie hat das Gefühl, in einen Abgrund zu schauen. Sie fühlt einen Mix von Feuer und Eis. Die Sunamitin erklärt ihm, dass sie seine Empfindungen nicht verstehen kann und nicht weiß, ob er Himmel oder Hölle meint. Adonija hakt ein: Himmel und Hölle - das ist es, was sie für ihn sei. Sie soll wissen, dass er sie so stark liebe, wie es einem Mann nur möglich sei. Falls er sie nicht bekommt, ziehe er es vor zu sterben. Wenn ihr Herz auf eine königliche Hochzeit abziele, soll sie ihn segnen. Als Zugabe kann er ihr ebenfalls ein Königreich anbieten.

Nun reicht es der Sunamitin und sie erteilt dem aufdringlichen Prinzen eine Abfuhr. Die moralische Entrüstung ist ganz auf ihrer Seite. Was wagt der grauenvolle Mann in seiner armseligen Kühnheit? Er soll wissen, dass sie ihn hasse und zwar so stark, wie eine Frau nur hassen kann. Glaubt er wirklich, dass er mit der Verlockung auf einen Thron ihr Herz täuschen kann? Niemals ist eine Gabe eine Verlockung, wenn ein Verräter sie bringt! Dann wird es in der Tat so sein, dass sie einen alten hinfälligen Mann heiraten wird. Die Sunamitin soll darüber nachdenken! Abisag sagt ihm klar und deutlich, dass sie ihre Entscheidung getroffen habe und sie ihm seinen Wunsch nicht gewähren kann. Sein Anblick jage ihr Schrecken ein. Was mit dem Thron sei? Sie pfeife drauf! Und sein Schwert? Sie fürchtet es nicht! Aber das Feuer, welches sie in ihm entfacht habe, sei seine einzige Sonne, die für ihn scheine. Der Zurückgewiesene wirft sich ihr zu Füßen, während die Überrumpelte um Gottes Segen bittet.

Gottes Gnade ist mit ihr, denn er schickt ein kleines Erdbeben, welches Adonija wieder auf die Füße setzt, während Abisag die Flucht ergreift. Adonija ist verstört, weil er solche Reaktionen von Frauen nicht gewohnt ist. Nach Absalom war er der Schönste von allen und wurde auch vom Vater abgöttisch geliebt.

Fünfte Szene:

Die verängstigte Landbevölkerung weiß nicht, wohin sie fliehen soll. Die Erde schüttelt sich und plötzlich öffnet sich eine Kluft. Solche heftigen Naturerscheinungen können ein Menschenleben schnell auslöschen. Da hilft nur noch beten.

2. Teil:

Sechste Szene:

Im Palast von Jerusalem wird der Ankommenden ein feierlicher Empfang bereitet. Das Volk freut sich über die Wahl des Königs besonders, weil die Braut aus den unteren Schichten des Volkes kommt. Die Regieanweisung sieht nicht vor, dass auch nur eine von den acht Hauptfrauen des Königs zur Begrüßung erscheint. Über hohen Besuch kann sich die Sunamitin allerdings nicht beklagen. Ermüdet von den Strapazen und den Huldigungen legt sie sich in ihr Bett, um ein bisschen zu schlafen. Im Traum bekommt sie Besuch von Engeln, die einen Choral anstimmen:

„O Sunamitide, Virgin
bella nel tuo candor,
L'iri die sogni placidi
Lusinghi il tuo sopor.“

Der Frieden eines süßen Traumes möge die Jungfrau in ihrem Schlaf entzücken. Die schönsten Eindrücke, die sich unter einem transparenten Flor entwickeln, beziehen sich auf das Heimatland, welches sie nun verlassen hat. Kurz und bündig ist damit alles gesagt - die Engel verschwinden wieder dahin, von wo sie gekommen sind - und der Besucher muss sich damit abfinden, dass dem Librettisten zur neuen Lebenssituation der kleinen Sunamitin nichts weiter eingefallen ist. Kaum angekommen, entwickelt Abisag schon Heimweh:

"Saftige Wiesen, liebliche Täler,
grüne Hügel meiner Heimat,
winzige Seen, muntere Bäche,
sorgenvoll verabschiede ich mich von euch.“

Auch der wilden Tiere ihrer Heimat gedenkt ihr Herz in Liebe. Der Weidenkorb hat sich in ein Zepter verwandelt und die Felder haben nun die Form eines Palastes. Abisag macht sich Gedanken, in welche Gegenstände die Flocken der Lämmer sich verwandelt haben und für eine Regierung, die sie für ihre Untertanen angenehm gestalten wird, nützlich sein können. Die Krone wird auf den Kopf gesetzt, das Zepter wird geschwungen und dann wird mutig regiert.

Siebte Szene:

Adonija hat geduldig gewartet, bis das Mädchen wach geworden ist, und steuert dann direkt auf sie zu. Sie ist sich nicht sicher, ob es die Fortsetzung ihres Traumes ist oder ob die Realität sie eingeholt hat. Völlig korrekt sinkt Adonija auf die Knie und entschuldigt sich für sein unverblümtes Eindringen in ihr Schlafzimmer. Für das unkorrekte Betragen in der Vergangenheit bittet er um Pardon, aber sie soll nicht gleich wieder fortlaufen. Er verdiene keine Nachsicht, erklärt Abisag, denn sie fürchte von seiner Seite eine neue Heimtücke. Er soll sich gefälligst auf Distanz halten und ihr Respekt entgegen bringen.

Der Prinz beteuert, dass er von ihrer Schönheit ganz benommen war. Nun ist sein Verlangen, welches ihn wie ein aufkommender Blitz erfasst hatte, gezähmt. Doch Abisag glaubt ihm kein Wort, beschimpft ihn als Schurken und behauptet, dass er lüge. Adonija zeigt an, dass er sich umbringen werde, wenn ihre Vergebung ausbleibt. Erneut fleht er um Mitleid und erläutert, dass König David, den sie kenne, sein Vater sei und binnen kurzem wird er sie selbst zur Stiefmutter bekommen. Diesen Aspekt hatte Abisag noch gar nicht bedacht und nun sagt ihr Instinkt, dass sie aus praktischen Erwägungen um einen Schulderlass nicht herum kommt. Also, ihr Herz sei bewegt, er soll endlich aufstehen, denn er habe gewonnen.

Ein kleines Duett gefällig?

„Oh gioia non attesa
Che frange ai sensi il vel!
E che dal Ciel discesa
Torna più bella in Ciel.“

„Ah, die unerwartete Freude
durchdringt alle Empfindungen!
Herabsteigend vom Himmel
möge sie zurückkehren zum Himmel
schöner als jemals zuvor.“

Achte und neunte Szene:

Eine Prinzessin des Hofs bittet die neue Königin und Braut, sich in ihre Gemächer zu begeben, damit sie dort für die anstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten optisch aufbereitet werden kann. Vorab wird sie in kostbaren Essenzen gebadet, dann kleidet man sie in Purpur. Danach kommt das Geschmeide an die Reihe - kostbare Ringe werden ihr an die Ohren und auf die Finger gesteckt. Nun ist sie die Schönste von allen.

Die große Halle ist festlich geschmückt. König David sitzt auf dem Thron. Zur Rechten befindet sich der Brautaltar. Links steht das Ungetüm der königlichen Harfe. Um ihn herum tummeln sich Prinzen und Leviten. Der Chor fragt sich und die anderen: Wird der König zur Feier des Tages auf seinem Lieblingsinstrument eine Kostprobe geben? Eine Hymne zu Ehren des Allerhöchsten wird mit Sicherheit himmelwärts steigen. Wird der Herrliche auch seine Steinschleuder, mit der er bei seinen Feinden einst im Tal von Terebinthus Furcht und Schrecken verbreitete, hervorholen, um ein paar kleine sportliche Übungen zum Besten zu geben? Nein, das wäre zu viel verlangt; auf die zuletzt erwähnte Nummer muss heute verzichtet werden, denn der König befindet sich bereits in vorgerücktem Alter, er wirke langsam und müde und ihm sei dauernd kalt. Die Erinnerung an den Überschwang der Jugend nimmt man für die Tat.

Der König ergreift das Wort. Er bedankt sich beim Opernchor, dass er die glücklichen Tage seiner Jugend vor seinem Auge wieder auferstehen lässt. Sein Lieblingsinstrument lässt er vor sich aufbauen und zum Lobe Gottes greift er in die Saiten. Aus dem Stegreif dichtet er einen Psalm, bekennt, dass Gott groß ist und bestätigt, dass er ihn in Kummer und Verzweiflung noch nie allein gelassen habe. Wie das Licht der Sterne leuchte für ihn nun die Liebe, die er über sein Haupt ausstreuen wird. In seiner Güte hat Jahwe ihm eine neue Blume geschenkt, damit sie über sein Wohlergehen wache.

Nun fühlen sich die Hofdamen veranlasst, das Herannahen der neuen Königin zu avisieren. Der Stern der Schönheit, die Blume der Keuschheit, das Lächeln der Liebe, wird den König beglücken. Ah, hört alle her, einen Seufzer der Liebe hat sie soeben ausgestoßen - es geschah in dem unendlichen Entzücken ihrer heiligen Passion. Einen gesanglichen Kontrast bieten nun die tiefen Stimmen der Priester, welche die Jungfrau auffordern, näher zu kommen. Ihr Gesicht scheine von himmlischer Schönheit und in ihrer mystischer Kraft sei sie das Entzücken Israels. Nathan äußert sich ebenfalls positiv. Adonija hat seine unpassenden Gelüste beerdigt und spricht von einer zweiten Eva, die in der Fürstin auferstanden sei, sie aber an Schönheit noch übertreffe. Alle werden ihr Respekt und Liebe zollen! Weihrauch steigt inzwischen vom Altar auf, so dass nun mit der Zeremonie begonnen werden kann.


Letzte Änderung am 28.1.2010
Beitrag von Engelbert Hellen