Georg Friedrich Händel (1685-1759):

Alexander's Feast or The Power of Musick

deutsch Das Alexanderfest oder Die Macht der Musik

Allgemeine Angaben zum Oratorium

Entstehungszeit: 1735-36
Uraufführung: 19. Februar 1736 in London (Covent Garden Theatre)
Besetzung: 4 Soli (SATB), Chor (SATB) und Orchester
Erstdruck: London: Walsh, 1738
Verlag: Kassel: Bärenreiter, 2005
Borough Green, Kent: Novello, 1982
Bemerkung: Als Zwischenaktmusik wird das Concerto grosso HWV 318 in C-Dur verwendet.
Opus: HWV 75

Zum Oratorium

Art: Oratorium in zwei Teilen
Libretto: Newburgh Hamilton nach "Ode in Honour of St. Cecilia" von John Dryden (entstanden 1692, veröffentlicht 1697)
Sprache: englisch

Handlung

1. Teil:

Die Eroberung des Perserreiches durch Alexander den Großen war zweifellos ein Ereignis, welches die damalige Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Nachdem das Kriegshandwerk verrichtet war, gab Alexander ein Fest, oder war es nicht eher ein Bacchanal oder gar ein Saufgelage? Von den anwesenden Reportern berichtet der Tenor, dass es zu Beginn der Feierlichkeiten manierlich zuging. Der streitbare Alexander hatte sich einen Myrtenkranz auf den lockigen Blondschopf gesetzt und seinen Körper mit wohlriechenden Rosen bekränzen lassen, damit er nach harter Arbeit zur Feier des Abends gut dufte. Platzgenommen hat er auf dem Thronsessel, auf dem zu anderen Zeiten der Perserkönig Darius und seine illustren Vorgänger gesessen sind. Ihm zur Seite sitzt in ihrer jugendlichen Frische die geliebte Thais, welche darauf lauert, Königin von Persien zu werden. Der Oratorienchor ist der Ansicht, dass der strahlende Held die süße Braut tatsächlich verdient. Die tapferen Generäle stehen um ihn herum und bewahren Haltung bis der Hofmaler seine Skizze fertig hat. Sie warten auf den gemütlichen Teil des Festes, bei dem sie ihre müden Knochen ausstrecken können.

Den formellen Teil bestreitet Timotheus. Er setzt seine Leier in Gang und lässt seine laute Stimme erschallen. „Sein Spiel erweckt der Leier Klang, gen Himmel hebt sein edler Sang die Herzen hoch empor“. Nun, unser Report will in das Lob zu Gunsten Alexanders nicht einstimmen, denn Schmeichelei ist fehl am Platz, wenn jemand nichts anderes fertig bringt, als eine in Jahrtausenden gewachsene Kultur zu zerstören. Strafmilderung gibt es nicht für den rücksichtlosen und unbesonnen Jugendlichen, auch wenn er sich strahlend schön zu präsentieren versteht. Ein bisschen plump wirkt die Propaganda, wenn Alexander verbreiten lässt, dass König Philipp von Mazedonien nicht sein richtiger Vater sei, sondern Zeus selbst habe sich seiner Mutter Olympia in wilder Lust genähert. Auf der Siegesfeier lässt der Erzeuger sich auch nicht blicken. Der Chor korrigiert, dass es sich auch nur um eine Sage handele, die den Hochzeitsgästen angenehm in den Ohren klingen soll. Der Sopran, Alexander wohlgesonnen wie alle anderen auch, meldet sich zu Wort. „Vom Ruhm berauscht, der König lauscht und hört, er sei ein Gott dessen Gebot das All erbeben lässt.“

Der Zeremonienmeister hat sich etwas besonderes ausgedacht. Er improvisiert ein Spiel, bei dem Bacchus, der ewig heitere Gott, sich Alexander zugesellt, damit nicht der Eindruck entsteht, der Olymp habe ihn im Stich gelassen. Trompeten kündigen den Gott des Weines an und der Klang der Schalmeien begleitet das mit angetrunkenen Gesinnungsgenossen vollgestopfte Gespann. Goldener Wein ist des Bacchus reiche Gabe, die süße Labe nach dem Streit.

Bacchus blessings are a treasure,
Drinking is the soldiers pleasure,
Rich the treasure,
Sweet the pleasure,
Sweet is pleasure after pain.


In den Augen Glanz und auf den Wangen Glut, protzt Alexander mit Heldentaten, die er erst noch zu vollbringen gedenkt. Schließlich genüge es nicht, den Feind einmal zu schlagen, dreimal sei besser, damit er nicht wieder aufsteht. Erde und Himmel wird er trotzen, bis es Timotheus zu dumm wird. „Der Sänger wählt ein Lied voll Schmerz und flößt Mitleid in sein Herz“, lässt die Sopranstimme sich vernehmen. Der Chor wiederholt das zuvor Erklungene und erläutert, der Sänger künde vom Tod des Perserkönigs, der durch des Schicksals Wut von dem Gipfel seiner Macht gestürzt worden sei und sein edles Blut verströme. Verlassen in der letzten Not, ringe Darius mit dem Tod. Auf bloßer Erde hingestreckt warten die Geier bis er verreckt. Alexander sitzt und sinnt, eine Träne ihm aus dem Auge rinnt! Wie wechselvoll ist doch das Los der Menschen! Ein tiefer Seufzer ringt sich aus seiner Brust. Wäre es möglich, dass auch ihn ein schlimmes Schicksal treffen könnte und er in seiner Jugend Blüte das Leben unverhofft lassen müsste? Dem Tenor entgeht nichts:

Der Sänger lächelt, weil er spürt,
dass sein Lied ans Herz gerührt,
da es von Mitleid ward bewegt,
auch Liebe bald sich in ihm regt.

Der Sopran singt dem Eroberer nun endlich die Meinung: Waffenhandwerk schaffe nur Unheil und Ehrgeiz bringe keinen Vorteil, sondern treibe nur zu Kampf und Zerstörung. Anstelle von Kriegsruhm warten auf den Monarchen nun Liebeswonnen.

Zuletzt besiegt von Pein und Lust,
Zieht Thais er an seine Brust.
Lauter Jubel schallt im Kreis,
vergesst nicht die Musik, auch ihr sei Preis!

2. Teil:

Was veranlasst den Reporter mit der hellen Tenorstimme, den Oratorienchor gegen den hehren Alexander aufzuhetzen? Der Bezwinger der Welt möchte seinen Rausch ausschlafen, aber
Timotheus sieht sich mit der Aufforderung konfrontiert, den Klang seiner Leier ertönen zu lassen. Mit lautem Schall und mächtigem Gesang soll er die Bande des Schlummers lösen - damit aber nicht genug, mit dem grellen Schlag des Donners soll der Volltrunkene aus dem Schlaf gerissen werden.

Seht, der Donnerschlag hat ihn tatsächlich aufgeschreckt! Wie vom Tod erweckt blickt er verwirrt umher. Zum ersten Mal meldet sich der Bass mit einer Hetztirade zu Wort und bringt den Verstörten nun völlig durcheinander. Er behauptet, es würden sich mit glühendem Blick drei Furien mit Schlangen im Haar in unheilvoller Absicht nähern. Ein Geisterzug von erschlagenen Helden, die noch unbestattet auf dem Schlachtfeld herumlägen, sei eingetroffen, um sich darüber zu beklagen, dass sie vergessen worden seien. Nach Rache schreien sie, weil sie vorzeitig aus ihrem jungen Leben gerissen wurden. Alexander beeilt sich, sie zu besänftigen. In der Absicht, die feindliche Stadt und die stolzen Tempel fremder Götter zu zerstören. nimmt er selbst die Brandfackel in die Hand. Seine Geliebte, die schöne Thais, sieht nun endlich ihre Chance, sich wichtig zu machen und feuert die Marodeure an. Wild entflammt dröhnt der Beifall der Krieger. Thais schreitet voran und beleuchtet die Bahn. Sie fühlt sich ganz wie Helena von Sparta, von der die Törichte glaubt, dass sie Troja in Brand gesetzt habe.

Die Berichterstattung von John Dryden ist nicht ganz korrekt. Alexander hat die Zerstörung des Darius-Palastes nicht gewollt, weil er selbst darin wohnen wollte. Die törichte Thais handelte eigenmächtig und wurde für die Anstiftung zu der unsinnigen Brandstiftung von Alexander heftig gescholten. Der Monarch sah sich nun genötigt, seinen Haushalt nach Babylon zu verlegen, da Persepolis nach dem großen Brand keine Verlockung mehr war.

Das Finale zum Alexandersfest krönt ein Epilog. In ihm wird berichtet, dass vor langer Zeit, als noch keine Bälge atmeten und deshalb die Orgeln stumm blieben, das Saitenspiel des Timotheus die Menschenherzen zum Zorn reizte oder sanftes Mitgefühl in ihnen wachrief. Der Oratorienchor führt aus, dass schließlich die engelsgleiche Cäcilia kam, um ein eigenes Reich der Tonkunst zu schaffen. Sie setzte eine Reform durch, die den Gesang von seinen Fesseln befreite. Meisterhaft spielte sie die Orgel und der hehre Klang ihres Lieblingsinstrumentes enthielt eine Kraft, wie man ihn zuvor so feierlich noch nie gehört hatte.

Bass und Tenor fordern Timotheus auf, seinen Siegeskranz abzutreten, weil man einen würdigeren Kandidaten gefunden habe. Der Angerempelte weigert sich, die Trophäe zu opfern. Man kommt zu einem Vergleich und argumentiert folgendermaßen: Timotheus schicke sein Saitenspiel von unten nach oben, während Cäcilias Orgel von oben nach unten dröhne, so dass man beide Musikanten nicht miteinander vergleichen könne. Er entzücke mit seinem Saitenspiel die Menschen, während Cäcilias Publikum vorwiegend aus Engeln bestehe. Folglich muss von der Trophäe noch ein Duplikat erstellt werden, damit beide sich den Ruhm teilen können. So wie es Tradition ist, muss Cäcilia an ihrem Ehrentag ein Geburtstagsgeschenk bekommen, und was wäre ehrenvoller als ein Lorbeerkranz. Ein lächerlicher Kompromiss, der Heiligen eine Kopie von dem zu schenken, was man einem anderen gewaltsam wegnehmen wollte! Georg Friedrich Händel macht die Kränkung wieder gut und komponiert zu Ehren der Heiligen Cäcilia im Jahre 1739 die „Ode for Cecilias Day“.


Letzte Änderung am 13.1.2018
Beitrag von Engelbert Hellen