Eivind Groven (1901-1977):

Brudgommen

deutsch Der Bräutigam / englisch The Bridegroom

Allgemeine Angaben zum Oratorium

Entstehungszeit: 1933
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Bemerkung: Eine Erzählung aus der Zeit des „Schwarzen Todes“, erfüllt von Traurigkeit und Poesie, dient dem Oratorium als Vorlage. Mit der Person des Bräutigams kann sowohl der Spielmann als auch der Tod gemeint sein, der auf alten Stichen auch als Fiedler dargestellt wird. Die Pest geht durch das Land, von den Menschen zunächst verleugnet, dann nicht mehr zu verdrängen. Die Natur trauert mit den Menschen. Ein Mädchen rückt die Unauflöslichkeit ihrer Liebe zum unentwegten Spielmann in den Mittelpunkt ihres Daseins.

Die Hardanger-Fiedel spielt zum Fest zur Mittsommernacht auf und bewältigt solistisch weitgehend den zweiten Abschnitt des Chorwerkes, während im dritten die Chöre dominieren. Den Wechselgesang zwischen Asgjerds Vater und Elise in der Mitte des vierten Teils spricht den Hörer besonders an. Einer szenischen Aufführung des bildhaften Oratoriums dürfte nichts im Wege stehen.
Opus: op. 16

Zum Oratorium

Art: Oratorium in vier Teilen
Libretto: Ingeborg Refling Hagen
Sprache: norwegisch

Personen der Handlung

Elise: ein Mädchen, das wehmütig seiner Liebe gedenkt
Der Spielmann: dem Elises Liebe gilt
Die Urgroßmutter: den Zeiten des Heidentums verhaftet
Elises kleiner Bruder
Asgjerd: eine Witwe
Asgjerds Vater
Die Braut auf Kvålstad
Das Traumweib

Handlung

1. Teil:

Sommerkveld

Der Frühling ist ins Land gekommen. Der Wind säuselt in den Birkenblättern. In der Wiese steht ein Mädchen und freut sich der Schönheit der Natur. Ihr Liebster wohnt im benachbarten Dorf. Mit seiner Musik ist sie wohlvertraut, er ist nämlich ein Spielmann. Mit seiner Fiedel spielt er der Jugend allabendlich zum Tanz auf. Von allen jungen Burschen, die sie kennt, ist er der einzige, der ihr wirklich gefällt. Zu gern wüsste sie, ob ihre Liebe auch erwidert wird.

Ein sanfter Regen fällt auf die Wiese und es bildet sich ein Regenbogen. Sie hält eine blaue Glockenblume zum Himmel und äußert einen Wunsch. Doch der Kuckuck dreht in die nördliche Richtung ab. Das ist kein gutes Omen.

Das Mädchen ist Elise Hadstad, sie lebt mit ihrer Urgroßmutter auf einem einsamen Bauernhof. Als Überbleibsel vergangener Zeit, als den alten Göttern noch gehuldigt wurde, steht im Hof noch ein Opferstein. Die Urgroßmutter sitzt oft am Spinnrad, lauscht der Stille des Waldes und die alten Zeiten werden ihr gegenwärtig. Eine Vision von dampfendem Pferdeblut und wilden Opfertänzen belebt ihre Phantasie. Elises junge Liebe hat mit all dem nichts zu tun.

2. Teil:

Jonsokkveld og pestvarsel

Es ist Johannisabend. Jung und Alt lockt es zum Tanz um das Feuer auf Hellerudstrand. Die Musik ist so laut, dass selbst die älteste Frau des Dorfes aufwacht. Sie versucht es auch noch einmal, ein paar Tanzschritte zu machen. Dann hält sie plötzlich inne und lauscht. Es nähert sich ein Fuhrwerk mitten in der Nacht. Das hat nichts Gutes zu bedeuten. Ein Pferd und ein Karren - auf dem Karren liegt ein toter Mann. Aus der Ferne tönt ein krächzender Vogelschrei. Die Pest hat Einzug ins Land gehalten.

Die Warnung kommt beim jungen Volk nicht sofort an. Es will tanzen und fröhlich sein. Elises Spielmann umfasst mit der Linken, die auch den Bogen hält, die Taille der Liebsten, während die rechte Hand das Instrument gegen das Kinn stützt, er fiedelt wie besessen. Die Töne schwingen im unendlichen Raum. Plötzlich steht das Pferd hinter ihnen, bäumt sich auf und wiehert furchterregend. Alle fliehen vor Entsetzen. Böse Ahnung hat sie erfasst, doch der Widerhall des Festes ist noch nicht verklungen.

3. Teil:

Skogen

Die Waldeinsamkeit lastet schwer auf Hof Hadstad. Elise möchte sich freuen, aber die Schwermut drückt auf ihr Gemüt. Die Musik des Waldes vermischt sich mit einer unbestimmten Sehnsucht. Sie meint, die Nähe des Bräutigams zu spüren. Die Musik verebbt, das Echo verklingt. Was bleibt, ist sanfte Klage.

4. Teil:

Pesten – Pestfølget – Finale

Der Herbst kommt mit wildem Sturm, der die Wipfel der Bäume des Waldes kämmt. Der Tod liegt in der Luft. Ein Bote kommt nach Hadstad. Er berichtet vom Tod auf Kvålstad. Zuerst starb der Bräutigam und dann der Spielmann. Trauerzüge ziehen durch die Nacht. Menschen rufen nach dem Fährmann, der ihnen den Weg zum Friedhof weisen soll.

Elises kleiner Bruder ist ein Opfer der Pest geworden. Die Großmutter singt Zaubersprüche, die aber nichts nutzen. Elise ist tieftraurig und hat Visionen: Ein Weib erscheint, um ihr das Hochzeitskleid anzulegen. Das Gewicht der mächtigen silbernen Brautkrone drückt auf ihrem Kopf. Elise sing eine Volksweise, die im Inhalt mit ihrem Gefühl übereinstimmt. Es gibt nur einen Mann für sie, dem sie sich im Leben wie im Tod verbunden fühlt. Der Tod des kleinen Bruders reißt sie aus ihren Gedanken. Nach Hilfe Ausschau haltend reitet sie durch den Wald und findet überall das gleiche Elend. Sie sieht sich genötigt, fremde Not zu tragen.

Es formieren sich endlose Trauerzüge. Die Menschen klagen um die, welche ihnen nahe standen. Eine einzige große Liebesklage erfüllt den Wald. Es scheint, als ob die Bäume die menschliche Tragödie verstünden, in tiefem Mitgefühl neigen sie ihre Kronen. Rettung gibt es nicht, Trost liegt in der Erinnerung. Die Witwe Asgjerd wird von ihrem Vater begleitet. Dieser erzählt ihr die Geschichte ihrer eigenen Liebe. Die Kvålstad-Braut wünscht keine Hilfe. Man soll ihre Krone nicht berühren, sie wurde mit dem Tod vermählt. Elise versteht, dass die Welt sich geändert hat, aber es gibt Brautkronen, die nicht fortgenommen werden können.

Stumm bringt das Mädchen ihren Wunsch zum Ausdruck, ihren Spielmann zu finden. Sie steigt in das Boot des Fährmanns, der sie zum Friedhof bringt. Sie sucht unter den Grabkreuzen seinen Namen. Das Weib aus ihrem Traum erscheint erneut und fragt sie, ob sie bereits sei.

Der Schatten eines Vogelbeerbaumes fällt auf ihre Hand, als ob er lebendig sei. Sie darf sich wünschen was sie möchte, es wird ihr gegeben, flüstert der Baum. Elise stirbt. Es gibt für sie keine Wünsche mehr. Glockenklang wölbt sich wie ein Regenbogen über den Wald. Die kleine blaue Glockenblume jenes Sommerabends wird zum steifen Silberglöckchen ihrer Brautkrone.


Letzte Änderung am 9.2.2008
Beitrag von Engelbert Hellen