Louis-Nicolas Clérambault (1676-1749):

La Mort d'Hercule

deutsch Der Tod des Herkules / englisch The Death of Hercules

Allgemeine Angaben zur Kantate

Entstehungszeit: 1716
Besetzung: Bass, Violine und Generalbass
Erstdruck: Paris: Selbstverlag, 1716 (Troisième livre des cantates)
Verlag: Richmond: Green Man Press, 2000
Courlay: Éditions J. M. Fuzeau, 1989
Bemerkung: Die 4. Kantate des 3. Kantatenbuches von Clérambault besteht aus vier Rezitativen und vier Arien, die von einer Bass-Stimme vorgetragen werden. Naturgemäß werden die Arien mit Basskoloraturen reichhaltig ausgestattet. Der literarische Inhalt ist der griechischen Antike entlehnt und schildert das tragische Ableben des Helden, welches er der Dümmlichkeit seiner eifersüchtigen Gattin zu verdanken hat.

Hintergrundinformation

Herkules, unter dem Namen Herakles der bekannteste Held der griechischen Sage, hatte ungewöhnliche Herausforderungen zu bestehen. Unter anderem tötete der auch die Hydra, ein Ungeheuer mit mehreren Köpfen, die jedes Mal nachwuchsen, wenn er einen abgeschlagen hatte. Das verströmte Blut besaß eine giftige Substanz, in die Herkules seinen Vorrat an Pfeilen eintauchte, um sie besonders zu präparieren.

Eines Tages war er mit seiner Gattin Deianira unterwegs und sie hatten einen Fluss zu durchqueren, der Hochwasser führte. Der Zentaur Nessus, ein Fabelwesen - teils Mensch, teils Wildpferd -, erbot sich, die Frau auf seinem Rücken trockenen Fußes auf die andere Seite zu bringen. Ein liebenswürdiger Vorschlag, doch der Zentaur fand Gefallen an seiner süßen Last und versuchte mit ihr davonzutraben. Der Gatte schoss einen Giftpfeil hinterher, der den Entführer tödlich traf. Bevor der Zentaur sein Leben aushauchte, gab er der Königstochter den tückischen Rat, von seinem Blut etwas in ihre Fellflasche zu füllen. Die rote Flüssigkeit besitze die seltene Substanz, verlorene Liebe zurückzuholen, wenn man ein Kleidungsstück darin eintauche. Nie wieder werde der Gatte eine andere Frau ansehen, wenn er ein in Zentaurenblut gewaschenes Hemd trage. Bei Herkules weiß die Anbetungswürdige doch ohnehin nicht, ob sie auf seine Treue bauen konnte. Von der Szene hatte Herkules nichts mitgekommen, nachdem er endlich den Fluss durchquert hatte.

Es kam so, wie Nessus es vorausgesagt hatte: Herkules wandte sich der schönen Sklavin Iole zu. Die eifersüchtige Deianira besann sich auf den Rat des Nessus und legte ihrem Gatten das blutgetränkte Untergewand hin. Die Wirkung setzte sofort ein: Herkules versuchte, sich des tückischen Hemdes zu entledigen, doch es war bereits mit seiner Haut fest verschmolzen. Unsägliche Schmerzen plagten ihn, und das Fleisch trennte sich vom Körper, sobald er an dem Hemd zerrte. Deianira sah mit Schrecken, was ihre Unbedachtsamkeit angerichtet hatte und gab sich selbst den Tod. Um seinen Qualen ein Ende zu bereiten, ließ Herkules einen Scheiterhaufen errichten. Er stürzte sich in die Flammen und verbrannte sich selbst bei lebendigem Leibe.

Damit ging die Prophezeiung in Erfüllung, dass der Held durch jemanden umkommen werde, der selbst nicht mehr am Leben ist. Nachträglich wurde Herkules für seine Qualen entschädigt. Er bekam Unsterblichkeit verliehen, durfte auf dem Olymp Wohnung beziehen, und Hebe, die Göttin der Jugend, wurde seine Gemahlin.

Beschreibung

1
Der mutige Sohn des Zeus und der Alkmene erhielt vom Zentauren Nessus eine furchtbare Gabe. Welches Gift rann in seinem Blut von Ader zu Ader und verurteile ihn zu rigorosem Schicksal? Deianira, das furchtbare Weib, argwöhnte in ihrer Eifersucht, dass eine fremde Macht ihr den Helden forttragen würde, weil ihre Augen ihn nicht länger halten konnten. Gegen den Geliebten, der sich selbst befreit, können bestenfalls nur sanfte Anstrengungen etwas ausrichten. Starke Mittel sind ungeeignet, ein launisches Herz zu halten, selbst wenn der Liebende die Hölle bewaffnen würde. Liebe kennt keine Furcht und duldet niemals Zwang. Die Seele ist ein Subjekt, welche keine Fesseln erträgt. Kennt Deianira solche Weisheit nicht?

2
Schaut her, wie der Bezwinger von über hundert unterschiedlichen Monstern umkommt! Betrachtet in Ehrfurcht seine Leiden! Schmerzensschreie erfüllen die Luft und fordern auf. Mitgefühl zu empfinden. Der vom Schicksal Geprüfte reklamiert, dass er Deianiras Ketten nicht länger habe ertragen können.

Fatal ist die Liebe! Selbst Helden müssen sich ihrer Dominanz unterwerfen. Deianira habe ihn zur Liebe verführt und jetzt verursacht sie ihm solche Pein. Dem Unglücklichen hat sie die reinste Herrlichkeit getrübt. Unfähig war er ihr zu widerstehen. Hätte er nur die Finger von ihr gelassen. Härteste Pein ist sein Los. Nun fürchtet er das schreckliche Monster mehr als all diejenigen, die sein starker Arm ausgelöscht hat. Sie ist es, durch die er nun geschlagen ist.

3
So wie zuvor Liebe ihn beherrschte, breitet sich nun fatale Wut in ihm aus, und es könnte sein, dass er seine Tugend vergisst. Die Monster, gegen die er gefochten hat, bewegten ihn zur List und verursachten Anstrengung. Immer ist er ist damit fertig geworden. Nun sieht er sich gezwungen, das Entsetzen zu ertragen. Mit vergeblicher Drohung will er sich nicht aufhalten. Doch sollen die Götter seinen Zorn fürchten, wenn sich nicht wenigstens einer bequemt, seine Pein zu lindern. Zynisch fordert er die eingeschüchterten Sterblichen auf, sich als hasserfüllte Monster zu gebärden und Krieg zu machen. Vor dem Zorn der Götter brauchen sie sich nicht zu fürchten, ihre Blitze zucken nur auf glorreiche Heroen. Die Überreste einer unreinen Rasse sollen aus ihren inhaltslosen Höhlen kommen, sein unglückliches Schicksal betrachten und die Natur verpflichten, ihm zu helfen. Es ist nicht klar ist, ob der tragische Held die Heilkunst der Ärzte anspricht.

4
Herkules gibt Weisung, zu Füßen des Berges Oeta einen Scheiterhaufen zu errichten, der seinen Leiden ein Ende bringen soll. Er fühlt sich als unglückliches Opfer einer gefährlichen Liebe. Der größte der Helden endet auf solch tragische Weise.

Ach, wie eindrucksvoll ist dieser Schlussstrich. Liebe, der boshafte Tyrann des Herzens, hat das letzte Wort gesprochen. Seine Liebenswürdigkeit ist einzig Täuschung, aber seine Tortouren sind real. Umrundet von scheinbaren Freuden bringt er die Unterwerfung rebellischer Herzen. Der grausamste aller Stachel verbirgt seinen Charme unter duftenden Blumen.


Letzte Änderung am 3.4.2008
Beitrag von Engelbert Hellen