Anton Bruckner (1824-1896):

Helgoland

Allgemeine Angaben zur Kantate

Tonart: g-Moll
Widmung: Wiener-Männer-Gesangsverein
Entstehungszeit: 1893
Uraufführung: 8. Oktober 1893 in Wien
Besetzung: 4-stimmiger Männerchor, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Kontrabasstuba, Pauken, Becken und Streicher
Erstdruck: Wien: Doblinger, 1893 und 1899 (D1885, D1886, D2334, D2335)
Verlag: Wien: Musikwissenschaftlicher Verlag, 1993
Bemerkung: Viele Bruckner-Freunde wird es überraschen, dass der Sinfoniker zu Ende seines Lebens eine weltliche Kantate komponierte. Der Anlass war die Jahresfeier des Wiener Männer-Gesangvereins. Anton Bruckner war es vergönnt, die persönlichen Glückwünsche des Kaisers, dem die Kantate außerordentlich gefallen hat, entgegennehmen zu können.
Opus: WAB 71

Zur Kantate

Art: Kantate für Männerchor und Orchester
Text: August Silberstein
Sprache: deutsch

Beschreibung

Der Dichter August Silberstein hat sich zur Beschreibung der Insel Helgoland etwas besonderes ausgedacht. Er dreht die Zeit zweitausend Jahre zurück, als die Römer die Völker der Erde unterwarfen. Ihren Blick richteten sie auf England und kamen um Helgoland nicht herum. Eine Streitmacht konnten die Insulaner der herannahenden Flotte nicht entgegensetzen, aber wenn man an die alten Götter glaubt und ihren Schutz erbittet, greifen diese auch tatsächlich schirmend ein. Glaube versetzt bekanntlich Berge und schickt auch feindliche Schiffe auf den Meeresboden. Den Unsterblichen unterstehen die Naturgewalten und sie entfesseln mit wenig Mühe Blitz und Donner durch die Kraft ihres Willens. Odin und Aegir teilen sich die Arbeit und haben ihren Spaß. Der wütende Sturm peitscht die Wogen, die sich aufrichten und Schaumkronen bilden. Diese vernichten die Flotte des Gegners und die dankbaren Insulaner kommen mit dem Schrecken oftmals davon. Den gottesfürchtigen Bewohnern verbleibt ein freies Helgoland.

1.
Man hat in der Ferne feindliche Schiffe gesichtet. Wie niedrig ziehende Wolken wirken die gespannten weißen Segel der anrollenden Galeeren. Zum Eiland der Sachsen, hoch über dem Meer, bewegen sich die feindlichen Römer. Leid bringen sie in die von Bäumen umrundeten freundlichen Hütten. Die Siedler wissen aus Erfahrung, dass ihrem plündernden Erscheinen das Leben geopfert werden muss.

2.
Furchterfüllt eilen sie zum Ufer und starren tränenden Auges auf die näher kommende Gefahr. Inbrünstige Gebete schicken die Verängstigten zum Himmel. Der Gott, der über den Wolken thront, der den Donner in der Hand hält und über die Stürme gebietet, soll ihnen seine Gunst zudrehen. Die Bedrängten machen Vorschläge: grausiges Wetter sollen die Unsterblichen toben lassen und leuchtendes Feuer ihre Feinde zerschmettern. Der allmächtige Gottvater soll sie erretten aus höchster Not.

3.
Der brüllende Sturm macht Jagd auf die weißen Segel. Hoch spritzt der Schaum der herannahenden Wogen und salziges Wasser füllt den Bauch der stolzen Schiffe. Der Zorn des Meeres ist entfesselt! Wie flammende Geschosse erhitzen Blitze die Atmosphäre. Des Donners widerhallender Krach folgt ihnen nach. Die Masten bersten und der Bug bricht entzwei.

4.
Zu Ende geht es mit den Feinden, die herkamen, um Beute zumachen. Zur Beute sind sie nun selbst geworden. In die Tiefen des Meeres sind die Schiffe gesunken oder ihre Schnäbel bohrten sich in den aufragenden Fels. Das Wrackgut der Schiffe treibt zur Insel und erhellt die Mienen der einsammelnden Bewohner.

Gepriesen sei das freie Helgoland!


Letzte Änderung am 30.12.2015
Beitrag von Engelbert Hellen